"Enharmonische Verwechslung"

Die sogenannte "enharmonische Verwechslung" beschreibt die leicht unterschiedliche Färbung jedes Tons, abhängig davon, in welcher Tonart er gespielt wird.

Dies hängt damit zusammen, daß die zwölf Töne eben doch nicht ganz genau ausreichen, um reine Harmonie zu erzeugen. Damit, daß der Quintenzirkel, also der Kreis, der nach zwölf Quinten wieder zu einer reinen Oktave des ersten Tones führen soll, eine ganz kleine Ungenauigkeit beinhaltet (siehe hier).

Jeder, der z.B. eine Gitarre stimmt, um ein bestimmtes Lied besonders voll klingen zu lassen, merkt, daß für Lieder in verschiedenen Tonarten und Stimmungslagen die Saiten immer wieder ganz leicht nachgestimmt werden müssen, damit sie in der betreffenden Tonart perfekt miteinander schwingen. Z.B. müßte ein G im C-Dur-Akkord (C-E-G) etwas anders gestimmt sein als im Es-Dur-Akkord (Es-G-B).


Tasteninstrumente (Klavier, Orgel, Akkordeon) lassen sich jedoch nicht so einfach nachstimmen. Deshalb werden diese Instrumente heute gleichtemperiert gestimmt, um die unvermeidliche Ungenauigkeit so gut wie möglich auszugleichen.
Pseudo-Wissenschaftler führen diese für den Laien nicht ganz einfach zu verstehende Tatsache als "Totschlag"-Argument dafür an, daß das "wohltemperierte Klavier" mit seiner ausgeklügelten Stimmtechnik eben doch allen anderen Tasten-Anordnungen überlegen sei, z.B. dem Knopf-Akkordeon oder dem 6+6-Akkordeon. So eine Lüge im Streit darum, wem die fachliche Autorität und der Zugriff auf das begehrte Budget zusteht, kann man in Anlehnung an den enharmonischen Unterschied zwischen "ges" und "fis" treffend als Verwichslung bezeichnen:
Die asymmetrische Klaviertasten-Anordnung macht die Harmonie nicht besser. Vielleicht kann die enharmonische Verwechslung auf der symmetrischen 6+6-Tastenanordnung sogar besser und systematischer verstanden und vermittelt werden.

Der Zauber der Tasten-Musik liegt aber weniger im Verstehen der enharmonischen Verwechslung, sondern mehr in der richtigen Kombination von Rhythmus, Akkord, und Melodie, beidhändig gefühlvoll gespielt von nur einer Person.
Die "enharmonische Verwechslung" ist dennoch ein wunderbarer Stolperstein (auch um sich den Wechsel zwischen zwei Tonarten beim Spielen vorzustellen). Wären die 12 Töne ein exakt in sich geschlossenes System, dann wäre die harmonische Musik vielleicht etwas langweilig. So langweilig, wie immer nur C-Dur oder a-moll zu spielen, weil das auf dem Klavier einfacher ist!
Hier paßt auch Einsteins Empfehlung: "So einfach wie möglich. Aber nicht einfacher!"
Und ein anderes Zitat von ihm paßt auch gut für Klavier-Spieler, bei denen es noch nicht zu spät ist:
"Zwei Dinge sind zu unserer Arbeit nötig: Unermüdliche Ausdauer und die Bereitschaft, etwas, in das man viel Zeit und Arbeit gesteckt hat, wieder wegzuwerfen."